Leitfaden: Neu im Haus? – So klappt's mit den Nachbarn!

Konfliktcoach und Mediator Rolf Brüggemann gibt Tipps, wie man Nachbarschaftsstreit vermeidet und gute Beziehungen aufbaut.

Ein Umzug ist in der Regel ein nicht unbedeutender neuer Lebensabschnitt, der eine Vielzahl von Veränderungen und neuen Bedingungen mit sich bringt. Das ist aber nicht nur schlechthin ein  Einzug in eine bessere neue Wohnung oder ein Wechsel in ein anderes Wohnumfeld mit einer Vielzahl von An- und Ummeldungen bzw. eine andere Wohngegend, die erst kennengelernt werden will.

Vielmehr bedeutet der Umzug Veränderungen im Zusammenleben mit anderen Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Sich hier auf neue, meist andere  Verhaltensregeln, als bisher gewohnt, einzustellen,  verlangt sich schnell mit den neuen Bedingungen zu engagieren.

Wie klappt es am Besten mit den neuen Nachbarn und was sollte hier grundsätzlich beachtet werden, um Konfliktstoff von Anbeginn zu vermeiden?

Die Frage haben wir Fachleuten mit dem Ziel vorgelegt, einen Leitfaden für richtige Verhaltensweisen und zu beachtende Spielregeln im Umgang Miteinander zu finden.

Was rät der Fachmann: Nachfolgend die Hinweise und Gedanken von Herrn Rolf Brüggemann, Mediator & Konfliktcoach in Berlin.

1. Neu eingezogen – und jetzt?

1.1. Spielregeln beachten

Wenn Sie in eine neue Wohnung einziehen, sollten Sie einen Blick auf die Hausordnung werfen. Eventuell haben sich Ihre neuen Nachbarn darin auf Regeln verständigt, die Sie aus Ihren bisherigen Wohnungen nicht kennen und die für Sie neu sind. Wenn Sie nicht gleich in unbekannte Fettnäpfchen treten wollen, sollten Sie diese Regeln ernst nehmen.

Als mündiger Mieter/Miteigentümer sollte es für Sie selbstverständlich sein, dass Sie über Ihre Rechte und Pflichten informiert sind. Das heißt, Sie kennen nicht nur die Hausordnung, sondern haben sich auch über Miet- bzw. Eigentumsrecht informiert.

Sie sollten dieses Wissen allerdings nicht unbedingt dazu nutzen, jeden kleinsten Verstoß gegen die Regeln zum Anlass für Beschwerden zu nehmen. Seien Sie großzügig und tolerant. Dann fällt es Ihren Nachbarn vielleicht auch leichter, bei Ihnen mal ein Auge zuzudrücken.

1.2. Vorbeugen ist besser

Wenn Sie es erst gar nicht so weit kommen lassen wollen, dass sich ein Nachbar von Ihnen gestört fühlt, können Sie Ihren bevorstehenden Einzug, Renovierungsmaßnahmen oder anstehende Feiern auch ankündigen und um Verständnis werben - entweder über einen persönlichen Kontakt, einen Aushang oder eine Nachricht im Briefkasten.

Ebenso können Sie Ihre Nachbarn um besondere Rücksichtnahme bitten, wenn Sie z. B. wegen einer Erkrankung temporär ein besonderes Ruhebedürfnis haben.

1.3. Kontakte knüpfen

Wenn Sie neu in ein Haus einziehen und den Wunsch haben, Kontakt zu Ihren Nachbarn zu bekommen, können Sie natürlich alle Möglichkeiten zum persönlichen Gespräch und zur Vorstellung nutzen, die sich im Alltag bieten: Begegnungen im Hausflur, im Fahrstuhl, am Briefkasten usw. Oder Sie laden Ihre Nachbarn persönlich oder durch eine Einladung im Briefkasten auf eine Tasse Kaffee ein. Egal, was Sie für geeignet halten, sehen Sie es als Angebot an Ihre neuen Nachbarn an, das auch abgelehnt werden darf. Und fassen Sie eine Zurückweisung nicht als persönliche Niederlage auf. Nicht jeder Mensch sucht die Nähe zu seinen Mitmenschen. Sie sollten den Wunsch nach Distanz und Ruhe genauso respektieren wie Ihren Wunsch nach Nähe und Geborgenheit.

Erwarten Sie nicht, dass alle sofort begeistert sind, dass Sie jetzt ihre neuen Nachbarn sind. Vielleicht braucht der ein oder andere etwas mehr Zeit, um sich an ein neues Gesicht zu gewöhnen. Wichtig ist, dass Sie sich nicht von ersten Misserfolgen entmutigen lassen. Seien Sie offen, gehen Sie, ohne aufdringlich zu sein, weiter auf Ihre Nachbarn zu und suchen Sie das Gespräch.

Beteiligen Sie sich nicht an Klatsch und Tratsch. Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn und nicht über sie.

2. Schwierige Gespräche führen

Das Zusammenleben in einem Haus wird nicht immer ohne Konflikte und Probleme möglich sein. Dabei kann Ihre Rolle sowohl die des Auslösers, als auch die des Leidtragenden von Konflikten sein. Häufig lässt sich diese Rollenverteilung aber auch gar nicht so eindeutig bestimmen.

2.1. Sie fühlen sich durch einen Nachbarn gestört

Fühlen Sie sich z. B. durch einen Nachbarn in Ihrer Ruhe gestört, so sollten Sie sich zunächst die Frage stellen, ob das, was Sie stört, nicht Geräusche sind, die bei normaler Nutzung einer Wohnung entstehen. Vielleicht sind Sie selber aus anderen Gründen in der akuten Situation besonders empfindsam. Übertragen Sie in solchen Situationen Ihren Frust nicht auf den Nachbarn.

Sind Sie ganz sicher, dass Sie die Quelle der Störung richtig identifiziert haben? Kommen die Geräusche wirklich von diesem Nachbarn?

Falls Sie sich sicher sind und sich weiter gestört fühlen, könnten Sie den Nachbarn darauf ansprechen. Auch wenn Sie sich schon länger über den Nachbarn ärgern und Ihnen plötzlich der Kragen platzt, sollten Sie, bevor Sie Ihren Nachbarn ansprechen, erst einmal tief durchatmen. Stellen Sie sich einfach vor, wie Sie selber reagieren würden, wenn ein aufgebrachter Nachbar plötzlich vor Ihrer Tür steht und Sie beschimpft, Forderungen stellt und Drohungen ausspricht. Wie groß wäre Ihre Bereitschaft, überhaupt zuzuhören, geschweige denn auf seine Forderungen einzugehen?

Wenn Sie etwas erreichen wollen, dann sollten Sie anders vorgehen:

  • Versuchen Sie, sich zu beruhigen. Atmen Sie durch.
  • Gehen Sie zu Ihrem Nachbarn. Bedenken Sie, dass es für Ihren Nachbarn wahrscheinlich völlig neu ist, dass sich ein Nachbar durch sein Verhalten gestört fühlt.
  • Sprechen Sie zunächst möglichst sachlich das an, was Sie in Ihrer Wohnung gehört haben, etwa bestimmte Geräusche oder Musik.
  • Dann schildern Sie, welche Wirkung dies auf Sie hatte, etwa Störung bei der Arbeit, Störung der Nachtruhe etc.
  • Versuchen Sie, sich in Ihren Nachbarn hineinzuversetzen. Versuchen Sie, zu verstehen, warum er so gehandelt hat, wie er es getan hat. Wahrscheinlich gibt es gute Gründe für sein Handeln.
  • Teilen Sie Ihrem Nachbarn Ihre Bitte mit. Hierbei sollten Sie sich vorher überlegen, um was Sie Ihren Nachbarn bitten wollen. Sie sollten keine unrealistischen Forderungen stellen, die Ihr Nachbar nicht erfüllen kann. Sie sollten auch keine Ultimaten setzen oder Drohungen aussprechen, die Ihrem Nachbarn keinen Handlungsspielraum lassen. Sie sollten sich auch keine Dinge wünschen, die Ihr Nachbar als Eingriff in die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verstehen muss. Fragen Sie sich einfach, wie Sie selber auf bestimmte Wünsche reagieren würden.
  • Geben Sie Ihrem Nachbarn Gelegenheit, die Situation aus seiner Sicht zu schildern.
  • Versuchen Sie gemeinsam mit Ihrem Nachbarn, eine Lösung zu finden, die seine und Ihre Interessen möglichst gut befriedigt. Wichtig ist hierbei, dass Sie gegenseitiges Verständnis entwickeln und auch selber bereit sind, Zugeständnisse zu machen.
  • Sie werden sehen, dass die meisten Nachbarn bereit sind, auf Ihre Bedürfnisse einzugehen, solange Sie Ihre Wünsche ruhig und besonnen vorbringen und nichts Unmögliches verlangen.

2.2. Ein Nachbar fühlt sich von Ihnen gestört

Wenn Sie selber von einem Nachbarn angesprochen werden, der sich durch Sie gestört fühlt, denken Sie an das, was Sie im umgekehrten Fall von Ihrem Nachbarn erwarten würden:
  • Bitten Sie den Nachbarn herein.
  • Hören Sie ihm aufmerksam zu.
  • Lassen Sie sich von seiner eventuell erkennbaren Aufgeregtheit nicht irritieren oder anstecken. Es hat ihn sicher viel Überwindung gekostet, das auch für ihn unangenehme Gespräch mit Ihnen zu suchen.
  • Nehmen Sie sein Anliegen ernst, denn seine Not muss schon recht groß sein, wenn er ein offenes Gespräch sucht.
  • Erklären Sie die Situation aus Ihrer Sicht. Falls Sie der Meinung sind, dass Ihr Nachbar Recht hat mit seiner Beschwerde, sagen Sie ihm das und bitten Sie ihn um Entschuldigung.
  • Falls die Sachlage nicht so eindeutig ist, suchen Sie gemeinsam mit Ihrem Nachbarn nach einer Lösung, mit der Sie beide zufrieden sind und mit der keiner sich in seiner individuellen Freiheit unangemessen beeinträchtigt fühlt.
  • Feiern Sie Ihre Lösung mit einer gemeinsamen Tasse Kaffee/Tee.

3. Was tun, wenn das persönliche Gespräch nicht hilft?

Es wird eventuell auch passieren, dass es Ihnen nicht gelingt, ein Problem durch ein persönliches Gespräch zu klären. Dann stehen Ihnen folgende Möglichkeiten offen:

a) Sie können eine Dauerfehde mit Ihrem Nachbarn beginnen.

b) Sie können sich mit der Situation abfinden und versuchen, durch Ver-änderungen in der eigenen Wohnung die Belastungen zu minimieren.

c) Sie können sich an die Verwaltung wenden, um mit ihrer Hilfe eine Lösung herbeizuführen.

d) Sie können sich an einen Mediator wenden, der das Gespräch zwischen Ihnen und Ihrem Konfliktpartner in einem Mediationsverfahren wieder in Gang bringt und beide bei der Suche nach einer Lösung unterstützt.

e) Sie können einen Rechtsanwalt beauftragen, Ihre Interessen zu vertreten, und gegebenenfalls den Klageweg beschreiten.

f) Sie können ausziehen.


Zu a) und b): Diese beiden Möglichkeiten sind nicht dazu geeignet, Ihre Lebensqualität zu steigern und würden eine dauerhafte Belastung mit sich bringen.

Zu c): Die Verwaltung kann die Situation im günstigsten Fall durch Gespräche oder Androhung von Zwangsmaßnahmen zu einem Abschluss führen. Eventuell schlägt die Verwaltung auch ein Mediationsverfahren vor oder beauftragt direkt einen Mediator mit der Konfliktklärung.

Zu d): In einem Mediationsverfahren besteht die Chance, dass die beiden Konfliktparteien doch noch gemeinsam zu einer Lösung finden, die die Interessen beider Parteien berücksichtigt. Bei einer so gefundenen einvernehmlichen Lösung steht einer anschließenden guten nachbarschaftlichen Beziehung nichts im Wege. Die Kosten für eine Mediation sind überschaubar und werden nach Stundensätzen berechnet. Vielleicht ist Ihre Hausverwaltung bereit, die Kosten zu übernehmen.

Zu e): Die Beschreitung des juristischen Weges führt in der Regel zu einer Zerrüttung der Beziehung zwischen den Nachbarn, egal, wer letztendlich unter juristischen Gesichtspunkten als Sieger vom Platz geht. Auch können die Dauer und die Kosten eines solchen Verfahrens nur schwer im Voraus abgeschätzt werden.

Zu f): Die letzte Möglichkeit steht Ihnen vor allem als Mieter offen. Miteigentümer in einer Eigentumsanlage haben es damit schon schwerer. Vor einem solchen Schritt sollten Sie allerdings alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft haben.

Bedenken Sie auch, dass Sie sich selber und damit auch Ihre Eigenarten und inneren Probleme bei einem Umzug immer mitnehmen. Fragen Sie sich daher bei Konflikten auch selbstkritisch, was Ihr eigener Anteil am Konflikt ist. Was haben Sie dazu beigetragen, dass der Konflikt so eskalieren konnte? Gibt es Punkte oder Themen, bei denen Sie besonders heftig reagieren? Hat der Konflikt vielleicht mehr mit Ihnen selber und Ihren Erfahrungen zu tun als mit dem, was Sie Ihrem Nachbarn anlasten? Wiederholen sich bestimmte Probleme und Konflikte mit unterschiedlichen Personen immer wieder?

Bevor Sie also die alleinige Schuld bei anderen suchen und einen endgültigen Trennungsstrich ziehen, schauen Sie auch kritisch auf Ihre eigene Rolle in einem Konflikt.

4. Grenzen erkennen und akzeptieren

Sehen Sie den Einzug in eine neue Wohnung als Chance, neue interessante Menschen kennenzulernen, und begegnen Sie ihnen so offen und unvoreingenommen wie möglich.

Trotzdem wird es Ihnen nicht immer gelingen, zu allen Nachbarn einen gleich guten Kontakt herzustellen. Akzeptieren Sie es, wenn Nachbarn keinen Wert darauf legen, mit Ihnen in Kontakt zu sein. Die Gründe hierfür können vielschichtig sein und müssen nichts mit Ihnen zutun haben. Reagieren Sie nicht abweisend oder gekränkt, sondern seien Sie Sie selbst und begegnen Sie auch diesen Nachbarn weiterhin mit Respekt. Seien Sie offen, ohne aufdringlich zu sein

5. Was können Sie als „Alteingesessener“ tun?

Wenn Sie demnächst zu den „Alteingesessenen“ gehören werden, erinnern Sie sich daran, wie viele Gedanken Sie sich als Neuer gemacht haben und was Sie alles versucht haben, um in guten Kontakt zu Ihren neuen Nachbarn zu kommen.

Machen Sie es den Neuen jetzt möglichst leicht. Nehmen Sie die Angebote, die gemacht werden, wohlwollend auf oder gehen Sie von sich aus auf die Neuen zu und machen Sie ihnen Angebote zum Kennenlernen.

Denn wer seine Nachbarn kennt, dem fällt es leichter, tolerant zu sein oder Probleme anzusprechen.


Wir bedanken uns für die Tipps und Hinweise, die wir hier mit genehmigten Nutzungsrechten veröffentlicht haben. Weitergehendes kann mit Herrn Brüggemann direkt besprochen werden. Hier seine Kontaktdaten:
 
Rolf Brüggemann
Mediator & Coach

Waldmannstr. 9
12247 Berlin

Telefon 030.7720 6910
Mobil    0176.4925 8737
rolf.brueggemann@hilfe-im-konflikt.de
http://www.hilfe-im-konflikt.de



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Bildnachweise: Bild: Umzugsankündigung im Treppenhaus - Foto: eigene Aufnahme, Bild: Nachbarschaftsstreit vermeiden - Foto: fotolia.com © Andres Rodriguez, Bild: Konfliktbeilegung spart Gerichtskosten - Foto: Thorben Wengert / pixelio.de, Bild: guter Kontakt zu allen Nachbarn - Foto: fotolia.com © Cello Armstrong